Jeder eingesparte Euro beim Einkauf wirkt sich auf die Wirtschaftlichkeit einer Firma aus. Daher lohnt es sich, Markt, Lieferanten und Konditionen unter die Lupe zu nehmen. Genauso wichtig ist es, über Analyse, Strategie und Beschaffungswege nachzudenken. Dieser Ratgeber zeigt, auf was man als Einkäufer achten kann, um die Warenbeschaffung im Einzelhandel zu optimieren.
Inhaltsverzeichnis
Tipp 1: Beobachten Sie den Markt
Stichworte: Messe – Fachpresse – Branchenverbände – Nachschlagewerke
Eine Messe ist eine hervorragende Gelegenheit, potenzielle Lieferanten kennenzulernen und Neuheiten zu entdecken. Außerdem ermöglicht sie einen Marktüberblick. Einige Branchen leben davon, immer up-to-date zu sein, beispielsweise Mode- und Textilhandel, Möbelbranche, Bastelbedarf oder Floristik. Für sie ist der Besuch einer Messe ideal, um Trends zu erkennen und diese Produkte zu ordern. Die Fachpresse versorgt ihre Leser ebenfalls mit Marktübersichten und stellt zudem Neuerungen und Entwicklungen vor. Außerdem werden Lieferanten portraitiert oder präsentieren sich via Anzeige.
Auch die IHK sowie spezielle Branchenverbände gehen gezielt auf die Märkte ihrer Mitglieder ein. Intern vermitteln Sie die Kontaktanbahnung von Kunde und Hersteller.
Diverse Anbieter bieten branchenspezifisch so genannte „Nachschlagewerke für Lieferanten“ an. Neben den immer noch geschätzten Buchbindungen sind viele Dateien meistens heute online abrufbar.
Tipp 2: Analysieren Sie Ihren Einkauf
Stichworte: ABC-Analyse – XYZ-Analyse
Nicht jeder Handelspartner hat für Ihr Portfolio die gleiche Bedeutung. Unterscheiden Sie in A-, B- und C-Gruppe nach der Menge der gehandelten Ware. Es lohnt sich, Zeit aufzuwenden, um mit A-Partnern zäh um Konditionen zu feilschen, weil hier insgesamt eine größere Marge erzielt werden kann als mit C-Partnern bei gleichem Zeiteinsatz. Allerdings sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie für ein Produkt mindestens eine Lieferalternative haben. Eventuell lassen sich so Lieferengpässe auffangen.
Außerdem sollten Sie ermitteln, wie genau sich der Bedarf eines Produktes vorhersagen lässt. Aus den Schnittmengen dieser „XYZ-Analyse“ ergeben sich Anhaltspunkte für Ihre Einkaufsstrategie: Eine häufig genutzte Ware in hoher Bestellmenge sollten Sie just-in-time kaufen, um Lagerkosten zu sparen. Für saisonale Ware eignet sich der Einkauf mit Abrufverträgen für den Bedarfsfall. Unregelmäßig abgefragte Ware könnten Sie in Kommission nehmen, so dass keine Lagerkosten berechnet werden, aber bei Bedarf Ware sofort verfügbar ist.
Tipp 3: Formulieren Sie Ihre Einkaufsziele
Stichworte: Einkaufsstrategie – Lieferantenleitfaden – betriebliche Kennzahlen
Wenn Sie schriftlich niederlegen, was Ihnen beim Einkauf wichtig ist, haben Sie einen roten Faden für sämtliche Einkaufsaktivitäten. Das sorgt insbesondere dann für Einheitlichkeit, wenn mehr als ein Einkäufer für Ihre Firma tätig ist. Eine weitere Maßnahme ist es, einen Lieferantenleitfaden zu formulieren. Er legt Ihre Standards unter anderem für Qualität, Lieferung, Termin, Menge, Preise, Service, Zuverlässigkeit und Zusatzleistungen fest. Das hilft beiden Handelsseiten bei Vertragsabschlüssen.
Mit betrieblichen Kennzahlen können Sie Schwachstellen aufdecken: Wo sind die Preise zu hoch? Wo gab es häufig Lieferengpässe? Für welche Ware gibt es nur einen Lieferanten? Was ist permanent schwer beschaffbar? Aber auch Erfolge lassen sich messen, etwa günstigere Einkaufspreise, weil frühzeitig geordert wurde.
Tipp 4: Verbessern Sie Ihre Einkaufskonditionen
Stichworte: Sonderkonditionen – Zusatzleistungen – Skonto – Preispolitik
Wenn Sie regelmäßig Ware oder große Mengen von einem Lieferanten beziehen, können Sie mit ihm Sonderkonditionen vereinbaren: Etwa einen geringeren Stückpreis, Rabattstaffeln oder einen Bonus am Jahresende. Erkundigen Sie sich bei Ihren Hauptlieferanten nach geldwerten Zusatz- oder Serviceleistungen.
Fragen Sie unbedingt immer nach einem höheren Skontoabzug! Gerade dazu sind Verkäufer häufig nicht bereit, weil es unmittelbar ihre Provision trifft. Lassen Sie sich nicht beirren!
Mit schöner Regelmäßigkeit erhöhen sich die Einkaufspreise. Akzeptieren Sie sie nicht einfach so, sondern lassen sich genau erklären, warum das nötig sein soll. Manche Firmen gehen sogar soweit, selbst Preissenkungen zu fordern, um einer Erhöhung zuvor zu kommen. Sofern Sie kein Einkaufsfachmann sind, informieren Sie sich auf jeden Fall über typische Verkaufskalkulation und Gesprächsführung, um zugkräftig verhandeln zu können. Es lohnt sich mitunter auch, Ihren Lieferanten direkt nach seinen Vorschlägen zur Einkaufskostensenkung zu fragen.
Tipp 5: Nutzen Sie vorhandenes Potenzial
Stichworte: Regional kaufen – Restposten
Wer regional einkauft, profitiert in der Regel von geringeren Transportkosten. Zudem dankt es der Kunde, weil Regionalität ein Bestandteil von nachhaltigem Einkauf ist.
So manche Ware lässt sich gut als Restposten beziehen. Dafür gibt es in Deutschland sogar zwei Messen: Die IAW ist die Internationale Aktionswaren- und Importmesse im Frühjahr in Köln. Sie präsentiert Umsatzbringer aus 15 Warenkategorien. Die Goodies ist die Sonderposten- und Importwarenmesse im Herbst in Ankum. Dort gibt es Überproduktionsware, Aktions- und Auslaufartikel in über 20 Kategorien. Eine Dauereinrichtung ist die Verkaufsplattform restposten.de, die Reste, Überproduktionen sowie Ware aus Konkursmasse oder Geschäftsaufgabe anbietet.
Tipp 6: Suchen Sie den günstigsten Beschaffungsweg
Stichworte: Direktkauf – Einkaufsgemeinschaft
Sie sparen die Marge für einen Zwischenhändler, wenn Sie direkt beim Hersteller einkaufen. Viele Unternehmen setzen ihre Waren an Wiederverkäufer ab, ohne einen Großhandel dazwischenzuschalten. Eventuell könnten Sie sich beispielsweise als wichtigster oder auch als regionaler Vertriebspartner für das Produkt xy vom Hersteller z an den Endverbraucher positionieren.
Allerdings könnte durchaus auch der Einkauf über den Großhandel günstiger sein, weil er aufgrund seiner Einkaufsmengen bessere Konditionen erzielen kann als Sie als Einzelkunde.
An die Stelle eines Großhandels tritt oftmals eine Einkaufsgesellschaft. Sie kümmert sich um den Bedarf eines ganzen Wirtschaftszweigs, bündelt die benötigten Warenmengen und gibt die verbesserten Konditionen an ihre Mitgliedsunternehmen weiter, Beispiele sind die EK/servicegroup für Haushaltswaren, Geschenkartikel, Schreibwaren etc. oder die VEDES für Spielwaren, die Euronics für Unterhaltungselektronik oder auch die EDEKA. Neben dem gemeinschaftlichen Einkauf kann eine solche Kooperation noch weitere Aufgaben für die Gruppe übernehmen.
Darüber hinaus steht es Ihnen frei, sich mit wenigen oder nur einem weiteren Händler selbst zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammenzufinden. Solch ein Vertrag lässt sich unkompliziert aufsetzen.
Tipp 7: Schärfen Sie Ihre Verhandlungstaktik
Stichworte: Informationssammlung – Gesprächsführung
Der Lieferant möchte möglichst viel an sie verkaufen, am liebsten regelmäßig und ohne Preiseinbußen. Er freut sich über eine langfristige unkomplizierte Geschäftsbeziehung, in der er auch `mal Preissteigerungen durchsetzen kann und eine Schwierigkeit nicht gleich zur Vertragskündigung führt. Sein Gegenüber soll Vertrauen fassen und ein positives Bild vom Lieferanten bekommen. Da naturgemäß nicht in allen Punkten Einigkeit besteht, sollten Sie als Kunde jedes Einkaufsgespräch vorbereiten. Sammeln Sie Daten über die Firma und Infos über die Produkte. Listen Sie auf, welche Geschäfte bereits abgeschlossen wurden. Notieren Sie Ihre Verhandlungsziele. Da ein gewiefter Verkäufer einer Gesprächstaktik folgt, sollten auch Sie die Grundbegriffe kennen. Sofern Ihr Wissen als Einzelhändler das nicht bereits mit sich bringt, nutzen Sie die vielfältigen Angebote, Ihr Verhandlungsgeschick und Ihre Gesprächsführung zu schulen.
Tipp 8: Bleiben Sie in Kontakt
Stichworte: Persönliche Kontaktpflege – Messebesuche – Netzwerken
Auch im Zeitalter elektronischen Datenverkehrs sollten Sie persönliche Geschäftskontakte pflegen.
Besuchen Sie Ihre Lieferanten regelmäßig. Das zeigt Ihr Interesse und erhöht Ihr Ansehen. Sie bekommen Neuheiten und Neuigkeiten umgehend mit. Sie lernen Ihren Verhandlungspartner und seine Befindlichkeiten kennen. Dann lässt sich im Gespräch Manches – auch Unangenehmes – leichter klären. Gleiches gilt für Lieferanten, die Sie besuchen möchten oder zu einem Werksrundgang einladen.
Messebesuche sind ebenfalls gut zur Kontaktpflege. Dort haben Sie darüber hinaus unverbindlich die Gelegenheit, andere Produkte, Hersteller und Lieferanten etwas näher kennenzulernen als es über eine Website möglich ist.
Vielfach tauschen sich Händler, die nicht in direkter Konkurrenz stehen, kollegial untereinander aus. Sie teilen gleiche oder ähnliche Erfahrungen, Probleme und Lösungen. Da kann man den ein oder anderen Tipp für den Einkauf bekommen – oder geben. Solche Kontakte finden Sie über die Branchenverbände oder auch über örtliche bzw. regionale Wirtschaftsverbände.
Tipp 9: Recycling als Sekundäreinkauf
Stichworte: Abfallvermeidung – Abfallbehandlung
Im Beschaffungsmarketing ist auch das Recycling eine unternehmerische Aufgabe. Unser Abfallberg wächst durch entsorgte Produkte und durch Verpackungsmüll. Arbeiten Sie mit Lieferanten zusammen, die sich im Sinne der Nachhaltigkeit verantwortlich zeigen. Beispielsweise können Sie bereits beim Einkauf unnötige Umverpackung möglichst vermeiden. Die notwendige Verpackung ist bestenfalls wiederverwendbar oder zumindest wiederverwertbar. Der Anschluss an ein duales System verpflichtet Unternehmen, alle an Endverbraucher gerichteten Verkaufsverpackungen einer Verwertung zuzuführen. Das kann kostenintensiv sein, daher lohnt es sich, gleich beim Einkauf die für das eigene Unternehmen anfallenden Entsorgungsgebühren im Blick zu halten. Manche Ware lässt sich durchaus unverpackt anbieten. Auch die Qualität der Einkaufsware selbst sollten Sie einer Nachhaltigkeitsprüfung unterziehen: Hochwertige Ware ist in der Regel langlebig, so dass die Bilanz positiver ausfällt als bei Wegwerfware.
Darüber hinaus können Sie eigene Möglichkeiten zur Rückgabe einräumen und so dafür sorgen, dass wertvolle Rohstoffe erneuter Nutzung zufließen oder Kunden Verpackungsmaterialien mehrfach nutzen. Lebensmittel werden häufig an die Hilfsorganisation „Die Tafel“ abgegeben. Spenden aus dem Non-Food-Bereich sind hingegen Mehrwertsteuer-pflichtig und deshalb kaum lohnenswert. Retouren im Onlinehandel, insbesondere Neuware im Modeversandhandel, sind ein großes Problem, da sie doppelten Versand, Verpackung und Verwertung kosten. Weitaus größer ist die Dunkelziffer bei Überproduktion. Planen Sie daher Ihren Einkauf gut.
Das Thema Nachhaltigkeit eignet sich auch, um ein positives Firmenbild zu zeichnen: Zeigen Sie Ihren Kunden, wo Sie in Ihrer Firma Abfall vermeiden oder verringern und wie Sie recyceln.
Tipp 10: Differenzieren Sie Ihre Einkaufskosten
Stichworte: fixe Einkaufsgemeinkosten – Fehlmengenkosten – Lagerhaltungskosten
Einkaufskosten setzen sich nicht nur aus den reinen Material- bzw. Produktkosten zusammen, sondern hinzu kommen die fixen Einkaufsgemeinkosten (beispielsweise für Verwaltung, Personal, EDV und Büromaterial), die Fehlmengenkosten (bei Verzögerungen im betrieblichen Ablauf) und die Lagerhaltungskosten (einschließlich Zins für das gebundene Kapital). Dadurch ergeben sich für Sie noch weitere Stellschrauben: Die Gemeinkosten für den Verwaltungsaufwand können Sie senken, wenn Sie größere Mengen bestellen oder Bestellungen bündeln. Weitaus effektiver ist ein Warenwirtschaftssystem, das alle Einkaufs- und Verkaufs-Vorgänge detailliert erfasst und jederzeit Infos zu allen Positionen auswerfen kann.
Fehlmengenkosten sollte Ihr Lieferant tragen, denn sie entstehen meist bei Bestell-Pannen oder Lieferverzögerungen.
Lagerhaltungskosten sind nicht unerheblich. Auch hier hilft eine leistungsfähige Software für Logistik, jederzeit über Bestand und Lagerort Bescheid zu wissen. Auch ein bewusst klein gehaltenes Lager – möglichst nur kurzzeitig belegt – hilft, Kosten zu sparen.
Fazit: Langfristig denken
Nicht allein der Preis, sondern eine langfristige problemlose Geschäftsbeziehung sollte bei der Wahl eines Lieferanten im Fokus stehen. Die geforderte Qualität, zur richtigen Zeit, in gewünschter Menge, zu optimierten Kosten, einschließlich umfassender Service- und Knowhow-Leistungen macht eine gute Handelsleistung aus.
Schöpfen Sie Kontakte und Beziehungen aus, nutzen Sie Branchenverbände und besuchen Sie Anbieter, Messen und Kollegen, um umfassend über den Markt und seine Strukturen informiert zu sein.
Setzen Sie gut informiertes, motiviertes und ausgebildetes Personal für Ihren Einkauf ein und ermöglichen Sie ihm entsprechende Fort- und Weiterbildung.
Denn Einkauf ist eine Gesamtleistung, die sich nicht unerheblich auf den wirtschaftlichen Erfolg Ihres Unternehmens auswirkt.
Quellen:
Beschaffungsmarketing von Norbert A. Harlander und Frank Blom
Erfolgreiche Einkaufspraxis von Jens Holtmann
Beitragsbild:
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