In einer Zeit, in der die digitale Transformation in aller Munde ist, erfährt auch der bescheidene Einkaufswagen eine Verwandlung. Aus dem stummen Lastenträger des Kunden wird ein kluger Assistent, der den Einkauf informativer und komfortabler macht. Für den Händler ergeben sich wertvolle Einsichten in das Einkaufsverhalten seiner Kundschaft mit direkten Anknüpfpunkten, den Verkauf anzukurbeln.
Inhaltsverzeichnis
Wie hat sich das Konzept „Einkaufswagen“ verändert?
In den 1930er Jahren kamen in den USA die ersten Einkaufswagen auf, rund zehn Jahre später auch bei uns. Die Idee dahinter ist, Kunden zu umfangreicheren Einkäufen zu verleiten. Erstens ist es einfacher, einen Wagen zu schieben als einen Korb zu tragen. Zweitens passen in einen Wagen mehr Waren. Seitdem hat sich der Einkaufswagen beständig weiterentwickelt. Erste Schritte, ihn zum Mittler zwischen Kunde und Händler zu wandeln, waren Werbeflächen im Griff und an der Stirnseite des Wagens, die CartBoards. Dank digitaler Technologien vermögen sie inzwischen weit mehr: Sie unterstützen den Kunden beim Einkauf und geleiten ihn durch den Laden.
Vom Pfandmünzsystem zur App
Nachlässige Kunden hatten ihre Einkaufswagen einfach irgendwo stehen gelassen. Manche konnten die nützlichen Lastgefährte sogar anderweitig „gut gebrauchen“ und haben sie einfach mitgenommen. Mit einem Münzpfandsystem haben die Händler versucht, Unordnung, Unfallgefahr und Diebstahl in den Griff zu bekommen: Erst der Einwurf einer Wertmarke öffnet den Kettenverschluss, mit dem die Einkaufswagen verbunden sind. Die digitale Technik erlaubt es nun, diese Verbindung über eine App zu lösen. Dabei entsperren ein NFC- oder ein Bluetooth-Signal den Wagen. Und da kam die Idee auf, solch eine App auch für andere Informationen des Geschäfts zu nutzen! In der Branche sind verschiedene Modelle im Einsatz, die mit digitalen Features aufwarten.
Self-Scanning
Edeka hat für seine Geschäfte den „Easy Shopper“ (Pentland Firth Software) und den „Smart Shopper“ (Technologie KBST und Transportgeräte Expresso) mitentwickelt und nutzt sie bereits in einigen Filialen.
Beide haben ein großformatiges Display am Griff – größer als bei einem Handheld oder einem Smartphone – mit Touchscreen sowie einen Barcode-Scanner. Nach einem Startklick kann der Kunde seine Waren selbst einscannen und direkt in seine Einkaufstasche legen. Der Scanner beim Easy Shopper ist abnehmbar, so dass auch großvolumige oder schwere Produkte leicht zu erfassen sind. Unverpacktes wird wie bisher zunächst gewogen und dann gescannt. Der Kunde kann ein Produkt auch wieder aus seiner Liste löschen, wenn er es zurücklegt.
Erklärvideo zum digitalen Einkaufswagen Easy Shopper von Edeka:
Um Missbrauch vorzubeugen, erkennen die Wagen, ob alles gescannt wurde und ob die Ware auch tatsächlich im Einkaufskorb landet oder ausgetauscht wurde. Das machen die Modelle auf verschiedene Weise: sie haben Wiegesensoren, sie nutzen Kontrollkameras oder sie bedienen sich einer KI mit Lerneffekt. Der Kunde kann erst weiter einkaufen, wenn er den Fehler behoben hat. Wanzl setzt bei seinem „Smart Trolley“ auf KI, weil die Wägetechnik aufwendig und teuer sei. Nächster Entwicklungsschritt wird sein, unabhängig vom Barcode über Bilderkennung die eingekauften Waren abzugleichen.
Beim Self-Scanning entfällt die Pflicht, die Ware an der Kasse auf ein Band zu legen. Das minimiert die Wartezeit und spart Arbeitszeit. Der Kunde zahlt entweder an der stationären Kasse oder per Handy oder direkt über den Touchscreen-Computer. Self-Scanning gibt es übrigens auch schon für Einkaufskörbe: Das Wanzl-Modell SmartBasket hat ein fest verbautes Scanmodul mit Display.
Features verbessern das Einkaufserlebnis
Der große Bildschirm zeigt die Einkaufsliste in Echtzeit. Der Kunde kann Produkte suchen und zugehörige Informationen abrufen. Auf Wunsch bekommt er sogar Rezeptideen. Außerdem kann er sich durch den Laden navigieren lassen. Der digitale Einkaufswagen ist eine Brücke zwischen dem Online- und dem Offline-Einkaufserlebnis. Er ermöglicht den Zugriff auf Online-Bewertungen, Preisvergleiche und sogar den Zugriff auf digitale Coupons. Da der Kunde sich via App identifiziert, sind die Ausspielungen sehr personenbezogen, insbesondere Rabatte, Coupons oder die gezeigte Werbung. Self-Scanning beschleunigt das Einkaufen und vermindert Frust durch Wartezeiten an der Kasse. Die Interaktion optimiert und personalisiert den Einkauf, der damit komfortabler und schneller wird. Das maßgeschneiderten Einkaufserlebnis stärkt die Kundenbindung ans Geschäft.
Datensammler für Einzelhändler
Für den Einzelhändler heben diese Wagen einen Schatz an Daten. Er kann Einkaufsmuster identifizieren, Gewohnheiten ableiten und Präferenzen seiner Kunden besser verstehen. Der Händler erhält viele personenbezogene Anknüpfpunkte zu seiner Kundschaft. Dadurch ist er in der Lage, gezielte Marketingstrategien zu entwickeln, etwa in Echtzeit Produktvorschläge zu unterbreiten oder Rabatte anzubieten.
Der Einzelhändler erfährt außerdem, welche Wege seine Kundschaft im Laden nimmt, wann sie was einkauft und welche Informationen sie abruft. Das hilft ihm, Wegeführung, Sortimentsgestaltung und Wareneinkauf anzupassen. Zudem geben die Daten Informationen zum Verlauf der Tagesgeschäfte, etwa durch tageszeitliche oder saisonalen Bewegungen. Potenzielle Verluste lassen sich durch integrierte Sicherheitstechnologien minimieren.
Die Kehrseite der Medaille
Intelligente Einkaufswagen sind noch sehr kostspielig. Bei den großen Lebensmittelhändlern, wie Edeka oder Marktkauf, ergänzen sie derzeit die „normalen“ Einkaufswagen. Wie bei allen technologischen Errungenschaften ist in Zukunft mit günstigeren Preisen zu rechnen. Sie ergeben sich meistens aus steigender Nachfrage, verbesserter Technologie und dem Wettbewerb der Anbieter.
Trotzdem werden intelligente Einkaufswagen so schnell den bisherigen Fuhrpark nicht ablösen: Für manch älteren Kunden ist alles Digitale zu kompliziert. Sie sollen sich nicht ausgeschlossen fühlen. Zudem gibt es Menschen, die grundsätzlich neuen Technologien nicht vertrauen. Andere wiederum wünschen sich sowieso, dass „alles so bleibt wie es ist.“ Einige suchen bewusst kleinere Geschäfte mit persönlichem Kontakt auf.
Um alle Möglichkeiten eines intelligenten Einkaufswagens zu nutzen, muss ein Händler erheblich investieren, damit sein Markt die nötige Infrastruktur aufweist.
Trotz der Bedenken geht der Trend in Richtung einer digitalen Zukunft. Die Corona-Pandemie hat die Akzeptanz von berührungslosen Technologien beschleunigt. Der Verzicht auf physische Pfandmünzsysteme und Zahlungsmittel könnte tatsächlich das nächste Kapitel im Einzelhandel werden. Aber es sollte mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Sorgen der Kunden geschehen.
Welche Herausforderungen ergeben sich für den Einzelhändler?
Die Einführung digitaler Technologien – angefangen mit intelligenten Einkaufswagen – stellt den Einzelhändler vor einige Herausforderungen. Einige der markantesten sind:
- Investitionskosten: Modernste Technologie anzuschaffen und zu implementieren, erfordert erhebliche finanzielle Ressourcen.
- Technische Infrastruktur: Eine stabile und sichere Netzwerkumgebung im Geschäft muss gewährleistet sein.
- Schulung des Personals: Die Mitarbeiter brauchen fortlaufend Schulungen, um mit den neuen Technologien sicher umgehen zu können und Kunden bei Fragen zu unterstützen.
- Sicherheit und Datenschutz: Mit dem Vordringen digitaler Technologien steigt auch das Risiko von Cyberangriffen oder Datenschutzverletzungen.
- Inklusion der Kunden: Die Bedürfnisse von Kunden, die mit der Technologie nicht vertraut sind, sollten berücksichtigt werden.
- Wartung und Support: Es werden regelmäßig Aktualisierungen erforderlich sein und auch Reparaturen anfallen, für die Fachleute greifbar sein müssen.
- Kundenerfahrung: Durch Kunden-Feedback lässt sich erfahren und sicherstellen, dass die neue Technologie das Einkaufserlebnis tatsächlich verbessert und nicht verschlechtert.
- Rückgängige traditionelle Zahlungsmethoden: Es wird eine gewisse Zeit dauern, bis sich die Kundschaft an die neuen Systeme gewöhnt hat.
- Kompatibilität: Die neue Technologie muss zu bestehenden Warenwirtschaftssystemen und anderen Geschäftsoperationen passen und integriert werden können.
- Nachhaltigkeit und Umwelt: Die ökologischen Auswirkungen neuer Technologien, insbesondere in Bezug auf Abfall und Energieverbrauch, sollten im Auge behalten werden.
Schlussbetrachtung: Der digitale Horizont des Einzelhandels
Digitale Technologien werden für Unternehmen zunehmend unentbehrlich und für Verbraucher begehrenswert. Die digitale Transformation des Einkaufswagens ist ein Zeugnis für den Fortschritt, der unseren Alltag immer weiter durchdringt. Auch Einzelhändler können von diesem Trend profitieren, wenn sie sich heranwagen. Dafür ist es unerlässlich, für das eigene Geschäftsmodell sowohl die Vorteile als auch die Herausforderungen abzuwägen, um in einer zunehmend vernetzten Welt erfolgreich zu sein
Quellenangaben:
merkur.de/verbraucher/aldi-lidl-rewe-edeka-ikea-einkaufswagen-supermarkt-discounter-wanzl-walmart-smart-trolley-90659162.html
t-online.de/leben/aktuelles/id_100119174/edeka-neue-einkaufwagen-mit-touchscreen-erstaunliches-feature.html
stores-shops.de/technology/smart-store/smarte-einkaufswagen-auf-dem-vormarsch/
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