Amazon macht es vor, andere machen es nach – Supermarkt-Gruppen wie Rewe und Edeka haben auch in Deutschland kassenlose Supermärkte gestartet. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze, einen 24/7 Einkauf zu ermöglichen: Das kann ein einfacher Verkaufsautomat sein oder ein Laden mit Self Scanning & Self Checkout. Darüber hinaus gibt es komplexe Konzepte wie „Amazon Go“, bei denen eine Technologie im Hintergrund Kunden, Daten und Einkäufe automatisch erfasst, so dass der Kunde frei zugreifen kann. Das nennt sich „Grab & Go“, „Walk-in-Walk-Out“ oder „Frictionless Shopping“. Aber wie gut funktioniert der digital automatisierte Bezahlvorgang und welche praktischen Vor- und Nachteile bietet Ihnen der kassenlose Einkauf in einem solchen Laden?
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Der Prototyp aus den USA
Eine deutsche Erfindung ist der Supermarkt ohne Kasse nicht. Länder wie Asien und die USA sind bei der Digitalisierung im Handel meist einen Schritt voraus. Das hängt mit der Vorsicht der Deutschen bei persönlichen Daten zusammen. In dem Fall war es der Onlineversandhändler Amazon, der in den USA den ersten Prototypen für einen Discount ohne Kasse schuf. Unter dem Namen „Amazon Go“ ging dieser dort bereits 2016 an den Start. Zunächst nur für Mitarbeiter, ab Januar 2018 auch für die Öffentlichkeit. 2021 kam der erste Ableger nach Europa: Amazon eröffnete eine Filiale unter dem Namen „Amazon Fresh“ in London.
Wie funktioniert der kassenlose Supermarkt?
Den Einsatz von Selbstbedienungskassen konnten deutsche Kunden zuletzt in zahlreichen deutschen Supermärkten beobachten. Damit kann der Zahlvorgang schon beschleunigt werden – wenn Kunden mit dem Vorgehen an den Terminals vertraut sind und die Eingabe von Schnäppchen und reduzierten Preisen ohne Verzögerung funktioniert. Das Modell des gänzlich kassenlosen Supermarktes greift allerdings weiter: Beim Betreten des Marktes müssen sich Kunden mit einer App anmelden. Dann können sie Ware aus den Auslagen nehmen und einpacken. Das Geschehen im Laden wird von Kameras überwacht und der Kunde einem Konto zugeordnet. Es ist nicht mehr nötig, die Ware auf ein Kassenband zu legen: Sobald der Kunde mit der Ware aus dem Markt heraustritt, wird eine entsprechende Abbuchung an das Konto ausgelöst. Bei Amazon erfolgte eine Verrechnung über das Amazon-Konto.
Amazon hat auch schon den nächsten Schritt getan: Scan der Handfläche unter einem Lesegerät mit Bezahlung über eine hinterlegte Kreditkarte.
Die Bezahlung per Kreditkarte ohne Amazon-Kundenkonto nennt sich „Just Walk Out“. Dabei registrieren Kameras und Gewichtssensoren alle Aktionen der Kunden. So können sie erkennen, welche Produkte entnommen, aber auch welche Produkte wieder zurückgestellt wurden. Amazon bietet diese Technik inzwischen in den USA auch anderen Einzelhändlern an.
Automatisierte Bezahlung über eine App
Nach dem gleichen Grundmodell wie bei Amazon Go funktionieren auch die in Deutschland eingeführten kassenlosen Supermärkte. Allerdings ist bei ihnen kein Konto bei Amazon notwendig. Stattdessen wird eine App genutzt, die mit dem Kundenkonto verknüpft ist. Beim Eintritt in den Markt identifizieren sich die Kunden über einen eigenen Barcode, den sie einem Scanner vorzeigen. Menschliches Personal ist damit auch an dieser Stelle nicht notwendig. Der Einkauf wird mit Hilfe eines smarten Kamerasystems und Sensoren überwacht. Das „Internet der Dinge“ lässt grüßen. Bezahlt werden kann dann über die Kreditkarte oder via Paypal. Nachdem Verbraucher heute ohnehin gewohnt sind, mit ihrem Handy oder ihrer Smartwatch Bahntickets vorzulegen, Rechnungen zu begleichen, Onlinebanking zu betreiben und andere Dinge abzuwickeln, ist bei deutschen Verbrauchern die generelle Offenheit für eine digitale Abwicklung von Bezahlvorgängen gestiegen.
Wo gibt es kassenlose Supermärkte in Deutschland?
Als deutscher Vorreiter auf dem Gebiet der kassenlosen Supermärkte hat sich das Unternehmen Rewe erwiesen. Seit 2018 hat das Unternehmen recherchiert, selbst kassenlose Bezahlvorgänge in seinen Märkten anzubieten. Etwa Mitte 2020 startete die Praxiserprobung, in der es um Feinheiten, wie etwa die Öffnungszeit der Eingangsschleuse oder um die Genauigkeit der Regalsensoren ging. Die Sensoren mussten die Sortimente kennenlernen und insbesondere Produktunterschiede zu erfassen lernen. Parallel dazu hat Rewe eine App programmiert, die Nutzerführung, Kassenbon und Bezahlvorgang abstimmt. Das System muss außerdem erkennen, wenn ein Produkt erst entnommen, dann aber woanders wieder abgestellt wird. Und es muss Einkaufsgruppen – etwa Mütter mit Kindern – erfassen. Und es muss wissen, wie es warmer Essware umgeht.
Der erste hybride Rewe in Köln bietet variable Bezahlmöglichkeiten: Er hat eine Bedientheke und eine Kasse, aber auch ein Self-Check-out. Ein guter Testballon, um zu prüfen, wie die kassenlosen Supermärkte bei den Kunden ankommen. Gleichzeitig wurden die Kunden über die Hybridlösung für automatisierte Bezahlvorgänge trainiert. Sie scannen den QR-Code und können sich frei im Markt bewegen. Anfang 2023 eröffnete Rewe dann in der deutschen Hauptstadt, in München und Köln kassenlose Supermärkte. Sie laufen unter dem Namen „REWE Pick & Go„. Dieser soll den Kunden Geschmack auf die Bequemlichkeiten des neuen Supermarktmodells machen.
Damit kann der kassenlose Supermarkt punkten:
- kein Zeitverlust durch Warten an der Kasse
- kein Ausräumen und wieder Einräumen der Ware auf ein Laufband
- kein Einscannen der Ware
- bargeldloses Bezahlen ohne Geldbörse
- kein Herauskramen von Zahlungsmitteln
- smarte Technik macht beim Zahlvorgang kaum Fehler
- 24 Stunden Selbstbedienung
- Öffnung auch zu unkonventionellen Einkaufszeiten
- weniger Personal dank Automatisierung
- kameraüberwachter Supermarkt reduziert Diebstähle
- Datengewinnung über das Kaufverhalten der Kunden
- großer Zuspruch durch technik-affine Kunden
- mehr Komfort beim Einkaufen
- hauptsächlich Sortimente, die ohne persönlichen Service auskommen
- Ergänzung zum traditionellen Einzelhandelskonzept
Kassenloser Supermarkt als Lösung für den Fachkräftemangel?
Wenige Monate nach der Eröffnung von „Pick & Go“ durch Rewe gingen bei Edeka die ersten kassenlosen Supermärkte an den Start. Betreiber Jörg Meyer verwendet dafür Technologie aus Deutschland: Kamera, Software und Künstliche Intelligenz. Der Kaufmann hatte mit seinem Vorstoß vor allem eines im Sinn: Er wollte auf den Personalmangel in der Branche reagieren und seinen Kunden gleichzeitig eine ausreichend lange Öffnungszeit bieten. Tatsächlich sind Jobs in Supermärkten zwar nicht unbeliebt. Die meisten Interessenten streben jedoch eher die Leitung einer Filiale, Koordinationsaufgaben oder den Vertrieb an. An die Kassen möchten sich immer weniger Menschen setzen.
Der kassenlose Supermarkt ersetzt Personal an der Stelle, an der es fehlt. Sein Konzept hat Meyer, der eine zweistellige Zahl von Filialen betreibt, in Hamburg und Schleswig-Holstein in mehreren Märkten umgesetzt. Das zeigt, dass der kassenlose Markt durchaus funktionieren kann. Allerdings braucht es eine gewisse Eingewöhnungszeit in der Praxis und es gibt Dinge, die Unternehmen bei der Umstellung beachten sollten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine gute Idee an einer schlechten praktischen Umsetzung scheitert.
Diese Dinge sind gerade in der Anfangsphase wichtig:
- weiterhin Personal als Ansprechperson in Supermärkten stellen
- Kunden unkompliziert Reklamation bei fehlerhafter Abbuchung einräumen
- digitale Bezahlung mit Bonussystemen wie Payback und Deutschlandkarte verknüpfen
- nur so viele Daten wie nötig speichern und DSGVO beachten
Reaktion auf verändertes Konsumverhalten
Seit 2020 setzt Tegut auf kleine personal- und kassenlose Supermärkte. „Teo“ nennt sich das Format, das in vier Läden in Hessen startete. In den „unmanned stores“ gibt es auf knapp 50 Quadratmeter „nur“ 950 Produkte des gängigen Sortiments, aber wenig Discount-Ware (üblich für Supermärkte sind 2.000 bis 3.500 Artikel). „Teo“ soll kein Personal einsparen, sondern das Angebot ergänzen. Der Laden ist 24 Stunden zugänglich. Kunden können per EC-Karte eintreten oder an der Tür einen QR-Code scannen. Ihren Warenkorb scannen sie per Smartphone oder alternativ an einer SB-Kassensäule und können so auch bezahlen.
Tegut testet verschiedene Standorte und Sortimente, etwa Produkte für den Sofortverzehr in der Nähe von Hotels, Schulen oder Krankenhäusern. Als Standort infrage kommen auch Neubauquartiere, Stadtränder, Fabrikgelände, Firmenzentralen oder Universitäten.
Die Vorteile autonomer Supermärkte:
- Grundversorgung im ländlichen Raum, die so manche Einkaufsfahrt mit dem Auto einspart
- Convenience-Produkte für gestresste Großstädter
- wirtschaftliche Alternative an Standorten, an denen ein klassischer Supermarkt nicht rentabel wäre
- Standorte in hoch frequentierten Lagen
- lange Öffnungszeiten bis zu 24/7
- hybride Formen mit Personal und Beratung tagsüber und autonomem Einkaufen nachts
- Zukunftsinvestition, die die Branche attraktiv für IT-Experten macht
- Daten über das Konsumverhalten, über Verkaufsspitzen, über Renner und Penner
- konkretes Wissen für die Sortimentsgestaltung und Lagerhaltung
- ermöglicht maßgeschneiderte Werbung und Information
Quellenangaben:
faz.net/aktuell/technik-motor/digital/so-funktioniert-ein-kassenloser-supermarkt-18742919.html
t3n.de/news/kassenloser-supermarkt-rewe-pick-go-filialen-1594317/
Frick, Wolfgang (2019): Online ist schlagbar: Das richtige Konzept und Ihr Laden läuft
ndr.de/nachrichten/info/Kuenstliche-Intelligenz-beim-kassenlosen-Einkaufen-im-Praxistest,supermaerkte120.html
tagesschau.de/wirtschaft/supermarkt-ohne-kasse-einkaufen-101.html
golem.de/news/amazon-go-supermarkt-ganz-ohne-kasse-1612-124899.html
golem.de/news/amazon-go-amazon-schliesst-kassenlose-supermaerkte-2303-172389.html
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